Entlang der Seille ins Gebiet der Salinen


Der Tag begann gestern so unspektakulär wie langweilig: Von Loudrefing führt mein einziger, gangbarer Weg über eine schnurgerade, 13 km lange Departementstraße D38 nach Dieuze, meinem Mittaghaltepunkt. Das ist am Anfang noch einfach, weil um 08.00 Uhr kaum jemand unterwegs ist. Aber ab 09.00 Uhr wird es ungemütlich und um halb 10 dann unerträglich.

So sehen 13 km schnurgerade Straße aus! Wenigstens waren noch Wellen dazwischen, dass man nicht ständig frustriert war. Dagegen war der Ebersberger Forst ein Waisenknabe…

Etwa 2 km nach Loudrefing überquerte ich die TGV-Trasse Metz-Straßburg. Wenn man sieht, mit welcher Pünktlichkeit und welcher Geschwindigkeit diese Züge unterwegs sind, dann versteht man, warum man in Frankreich nicht fliegen muss!

Die TGV-Trasse bei Cutting

Unterhalb der TGV-Trasse tat sich linker Hand plötzlich ein Soldatenfriedhof auf, der die Gefallenen des 1. Weltkrieges aus der Schlacht bei Cutting im August 1914 beherbergte, und auf einer Schautafel den Frontverlauf darstellt. Meine Güte, wie viele junge Menschen da völlig unnötig umkamen!! Und in der Ukraine geht es (trotzdem) weiter!!

Der Soldatenfriedhof beherbergt die toten Soldaten der Schlacht bei Cutting
Infotafel mit Erklärungen und Frontverlauf

Bei Zommange hatte ich den Verkehr satt und schlug mich südlich durch Wiesen und Feldwege bis nach Lindre-Haut, wo mich Franz mit frischem Wasser versorgte. Über Lindre-Basse ging es dann den Kalvarienbergweg hinunter nach Dieuze.

Das große Tor zur Saline von Dieuze – daneben das Café de la Saline

Die Stadt liegt im Saulnois (Salzgau) an der Seille, 79 Kilometer nordwestlich von Straßburg, 52 Kilometer südöstlich von Metz und 41 Kilometer nordöstlich von Nancy. Südwestlich von Lindre-Basse liegt der 620 Hektar große Linderweiher (Étang de Lindre), bei dem der östliche Abschnitt des Regionalen Naturparks Lothringen (Parc naturel régional de Lorraine) beginnt.

Der Ort wurde erstmals 633 genannt. Dieuze wurde als Doso Vico auf merowingischen Münzen erwähnt. Im Mittelalter war die Ortsbezeichnung Decia in Gebrauch. Berühmt wurde er durch seine Salinen. Die alte Saline von Dieuze ist seit dem 11. Jahrhundert bekannt. Sie wurde im Mittelalter durch einen Brunnen mit Salzwasser (Sole) gespeist. Im 16. Jahrhundert wurde der Brunnen mit Schutzmauern umgeben und nach 1765 wurde die Anlage vergrößert. Die Saline wurde in eine kleine Stadt verwandelt, mit einer Kapelle, einem seigneurialen Backofen (four banal), einer seigneurialen Kelter und Kasernengebäuden (aus Wikipedia).

Die Seille bei Dieuze

Im Ort Dieuze liegen die königlichen Salinen, denn die Salzgewinnung in Lothringen hat eine lange Tradition. Die lothringischen Salzvorkommen sind zum größten Teil dem Unteren Keuper, einer Untereinheit der Triasformation zuzurechnen. Der Anteil an Natriumchlorid liegt bei durchschnittlich 93%.

Die Salzgewinnung ist bereits in der Eisenzeit durch die sogenannten „Briquetage de la Seille“ belegt. Das Wasser der salzhaltigen Quellen wurde zunächst erhitzt, um eine gesättigte Salzsole zu erhalten. Anschließend wurde die Salzsole in Gefäße aus gebranntem Ton gefüllt, die nun in einem aus gekreuzten Tonstäben gebildeten Gitter fixiert wurden. Die Zwischenräume wurden ebenfalls mit Tonstücken gefüllt. Die Gitter konnten übereinandergestapelt werden. Über einer Feuerstelle wurde das restliche Wasser verdampft. Danach wurden die Formen zerbrochen und zum Vorschein kam ein zum Transport geeigneter Salzkuchen (aus Wikipedia).

Großzügige Blumenampel im Zentrum von Dieuze

Das ganze Tal der Seille scheint hier vom salzhaltigen Boden zu profitieren. Ich war zumindest sehr überrascht, hier auf Salinen zu stoßen, und das in diesem Ausmaß!

Nach einer kleinen Stärkung nahm ich wieder einen Umweg über Blanche-Église in Kauf, der sich total auszahlen sollte. Unterwegs traf ich übrigens zum ersten Mal auf meiner Tour einen Wanderer, hier eine Frau. Sonst war ich praktisch immer allein, oder Radfahrer begegneten mir. Blanche-Église ist ein schlafendes Nest, das man am besten schnell hinter sich lässt.

Von Weiß ist nicht mehr viel zu sehen bei der Kirche von Blanche-Église…
Blick über dasTal der Seille nach Mulcey

Um 13.30 Uhr wird die Hitze auch fast unerträglich, und ich habe noch fast 6 km nach Marsale, einem kleinen Ort an der Seille. Und das war der Haupttreffer an diesem Tag: Mitten auf der Wiese quasi eine romanisch-gotische Basilika aus dem 13. Jahrhundert, praktisch vollständig erhalten. Da hält man erst mal die Luft an!

Die romanisch-gotische Basilika von Marsale
Der Taufstein aus der Gründungszeit der Basilika St. Léger vor 800 Jahren
Diese imposante Kirche von innen…

Marsal wurde erstmals 44 v. Chr. in einer Inschrift als Vicani Marosallenses erwähnt. Von frühester Zeit an war hier die Salzgewinnung von Bedeutung. Hinzu kommt die seit der Merowingerzeit bezeugte Münzprägung. Im Hochmittelalter bestand ein Kloster. 1005 schenkte Bischof Adalbero von Metz die Kirche den Benediktinerinnen von Neumünster bei Ottweiler, 1222 wurde das Kloster in ein Kollegialstift umgewandelt (1763 aufgehoben) (aus Wikipedia).

Das imposante Stadttor von Marsale

Bereits zur Zeit der Merowinger haben Vic, Moyenvic, Marsal und Dieuze Bedeutung durch das Salinenwesen gewonnen. Salz bedeutete Macht und Reichtum. Dieses Machtinstrument wussten die Herrschenden stets für sich zu nutzen. Sie hatten das Monopol auf die Salzgewinnung und legten die Höhe der Salzsteuer fest. Die Salinen wurden stark gesichert, wovon heute noch das imposante Zugangstor der Salinen von Dieuze zeugt. Marsal und Dieuze liegen weniger als 10 km voneinander entfernt und sind typisch für die aufeinanderfolgenden Epochen der Salzgewinnung.

Klein und beschaulich durchströmt die Seille das Salinengebiet

Das war alles hochinteressant, und das hatte ich in diesem verlorenen Winkel nicht vermutet. Aber das ist das Schöne beim Wandern: Man erreicht auch Ecken, die für Autos weit abseits liegen.

Nun kam der Endspurt nach Moyenvic, dem Endpunkt meiner heutigen Etappe. Das war hart! Wieder auf der D 38, und das bei mittlerweile über 30 Grad im Schatten! Da musste ich über Wiesen und Felder laufen, die schon abgeerntet waren, um diesem unsäglichen Verkehr zu entgehen. Aber mit Feldwegen kann Frankreich nicht punkten.

Kurz vor 15 Uhr erreichte ich Moyenvic. Auch ein verschlafenes Nest – dachte ich!! Dieser Ort wurde allerdings bereits 836 als Mediano vico salinæ erstmals erwähnt, der Name bezieht sich auf die Lage des ehemaligen Dorfs im Saulnois (Salzgau oder Salinengebiet). Die Salinen waren seit dem 9. Jahrhundert in Betrieb.

Moyenvic gehörte den Bischöfen von Metz, die es befestigen ließen. 1418 und 1430 wurde es von den Metzern eingenommen und abgebrannt. 1627 wurde es von Herzog Karl IV. von Lothringen wieder befestigt, kurz darauf jedoch von den Franzosen erobert und 1648 endgültig geschleift. Durch die Bestimmungen im Frieden von Vincennes wurde 1661 Frankreich der Besitz vom Moyenvic bestätigt. Die letzte Saline wurde 1831 wegen Unrentabilität geschlossen (aus Wikipedia).

So wurde der heutige Tag, der so unspektakulär begann, doch noch zu einem geschichtlichen Highlight, das ich so nicht erwartet hätte. Aber wir wollten heute auch noch nach Bertring. Für diese Geschichte gibt es einen Extra-Beitrag!


2 Antworten zu “Entlang der Seille ins Gebiet der Salinen”

  1. Hallo Hans
    das Leben ist nicht einfach – aber schön – !
    Die verantwortlichen Kriegstreiber und die sie umgebenden Speichellecker
    müssten dazu gebracht werden, die unmenschlichen Auswüchse und Schlachtfelder der Vergangenheit nicht nur zu besichtigen sondern zu hegen und pflegen.
    Damit wären sie über ein Menschenleben lang ausreichend beschäftigt!
    Trotzdem weiterhin viele neue Eindrücke und Erfahrungen wünscht Dir
    Ludwig

    • Lieber Ludwig,

      Du hast ja so Recht!! Wenn man hier durchs Land geht und schritt für Schritt auf tausende von Soldatenkreuzen trifft, dann sieht man eindrücklich, welcher Wahnsinn da getobt hat!! Nie wieder Krieg, das Leben und die Natur sind wirklich herrlich! Das haben manche noch nicht verinnerlicht.

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