Von Bretoncelles nach Bellême


Heute war es schon sehr früh schwülwarm, und eigentlich hatte ich mir wieder 28 km vorgenommen, weil ich den etwas längeren Weg über Sablons-sur-Huisne gewählt hatte, aber nach etwa einer halben Stunde habe ich diese Entscheidung bereut. Ich war schon nassgeschwitzt wie sonst um 11 Uhr, aber das half jetzt nichts.

Das Flüsschen Gorbionne – und der Fotograf als Schattenbild

Am Ortsende von Sablons-sur-Huisne läuft das Flüsschen La Corbionne vorbei, und ein schöner Rastplatz am Wasser hätte zum Verweilen eingeladen. Aber bei angekündigten 33°C heute Nachmittag war an Verweilen nicht zu denken. Hinter dem Ort ging es dann von der D 10 links ab auf die D 203, die so früh kaum befahren war. Da kam ich in einen kleinen Ort namens Condeau, wo sich eine beachtliche Kirche befand. Überhaupt scheint dies ein wichtiger Ort gewesen zu sein.

Die Kirche von Condeau. Interessant sind die einzelnen Bauabschnitte, die sich von der Apsis weg erhöhen

Kurz vorher ging es über den Fluss Huisne (gesprochen wird: Hüin), der einigen Orten hier seinen Namen gab und mich auch ein wenig begleitete.

Der Fluss Huisne, der den anliegenden Orten seinen Namen gibt

Hinter Condeau begann nun ein Landstrich, in dem viele Einöden verstreut lagen, zu denen Feldwege führten und die teilweise ganz blumige Namen hatten. Große Höfe waren zu sehen, und hier begann auch schon der Obstbau, wie die Äpfelplantagen verrieten.

Majestätisch und friedlich liegt dieser Hof in der Morgensonne…
… zu dem diese Apfelplantage gehört

Denn nicht nur die Bretonen machen Cidre, sondern vor allem die Normandie. Und dazu den leckeren Calvados… So gelangte ich nach Saint-Pierre-la-Bruyère, was so viel wie Sankt Peter in der Heide heißt. Hier sah ich noch einmal so ein merkwürdiges Häuschen wie am Sonntag, aber heute konnte ich – Dank des intakten Innenlebens – seine Funktion eindeutig zuordnen: An der Kurbel ist ein Rundbalken, der wiederum ein Seil aufwickelt, an dem ein Eimer hängt – es ist ein Brunnenhäuschen.

Mit der Kurbel zieht man die Eimer nach oben – das sind Brunnenhäuschen

Von der Kirche auf dem Berg hatte man einen wunderbaren Blick über die Perche, die in der Morgenstimmung fast schon unwirklich friedlich wirkte.

Die Perche, gelb und grün, in der Morgensonne

Es ging nun bergab, denn Sankt Peter lag schon über 200 m ü.NN, und es ging weiter mit den Einöden, die man teilweise von der Straße aus sehen konnte: Riesige Ländereien drum herum, so läßt sich das Aushalten. Bei Les Chasseries hörte ich plötzlich ein lautes Schnattern und Quacken, und die Ursachenforschung ergab, dass sich hinter den Büschen ein Ententeich verbarg, wo sich die Entlein fröhlich tummelten.

Diese Enten hatten ein richtiges Spektakel veranstaltet

Gegen 10 Uhr erhielt ich plötzlich einen Rempler von hinten – nicht unangenehm – der Wind war wieder da!! Der Wind, der auch die letzten Tage so erträglich gemacht hatte, trieb mich wieder vor sich her (mein Tacho zeigte teilweise über 7 km/h), was auch das Bergaufgehen sehr erleichterte. Ich erreichte nach La Vassonnerie das Dörfchen Nocé mit einer Kirche aus dem 15. Jh. – leider wieder geschlossen.

Aber die Seitenschiffe sind hier alle in der gleichen Weise wie kleine Giebelhäuser gebaut, das sieht man bei uns nicht. Auch ein chinesischer Baum stand im Garten, die hatte ich bisher auch schon öfter gesehen und sind mir von der Romwanderung her bekannt.

Der Name fällt mir nicht ein, es ist ein chinesischer….

Die Kirche in Perche-en-Nocé sieht interessant aus, und ist ausnahmsweise auch mal offen. Schöne Glasfenster fallen auf, die allesamt gestiftet worden sind.

Die Spitze des Turmes in Perche-en-Nocé
Eines der Fenster, die von der Mädchenorganisation der Pfarrei Nocé gestiftet worden sind

Und nun sehe ich auch viele kleine Schlösser links und rechts der Straße, was mich sehr verwundert. Die Perche war wohl immer schon ein reiches und fruchtbares Land.

Ein kleines Schlösschen hier….
…ein kleines Schlösschen da!

Und kurz vor Bellême kommt des Rätsels Lösung: Rundweg der Herrenhäuser und Tradition! Das waren also alles riesige Gutshöfe, an denen ich vorbeigekommen bin.

Kein Zufall, dass hier die ganzen Gutshöfe sind!

Und in der Nachmittagshitze erreichte ich Bellême! Was für ein Kontrast zur bisherigen Tour heute! Da standen herrschaftliche Häuser, das Leben pulsierte, der Hinweis auf das historische Zentrum glich dem Hinweis auf ein Künstlerviertel: Ateliers, Studies, Handwerkskunst – alles!

Das westliche Stadttor…
Am Zugang zur historischen Stadt…
Blick in die historische Oberstadt
Auch ein Krankenhaus in historischen Gemäuern gibt es….
… und eine “Blinde Kuh” Statue

Und das in einem Städtchen mit 1.500 Einwohnern (da kann sich Neufahrn eine gehörige Scheibe abschneiden, gell, Peter?). Der Grund ist einfach: Bellême war einmal die Hauptstadt der Perche, und dieser ganze Reichtum spiegelt sich in seinen Mauern wider. Ein richtiges Stadttor ist noch erhalten, aber Flair und Geschichte haften an jedem Stück Mauer. Bellême selber ist eine Reise wert!

Wieder mal ein Selfie….

Bilanz heute:

              Broons               230 km (Bronnais, je m`approche!)

              Neufahrn i.NB   947 km

Und bald ereiche ich den Nullmeridian östlicher Länge, denn Bellême liegt auf 0.5667 östlicher Länge. Vor Broons werde ich in die westliche Länge wechseln!


2 Antworten zu “Von Bretoncelles nach Bellême”

  1. Lieber Hans, da ich die letzten Wochen selber unterwegs war, hatte ich gar nicht mehr auf dem Schirm dass du wieder auf großer Wanderschaft bist. Umso schöner war es jetzt auf zwei Tage komprimiert all deine Berichte nachzulesen! Wieder sehr viele beeindruckende Bilder dabei, und man liest über Orte an die man bei „normalen“ Reisen niemals kommen wird. Dir viel Erfolg und Durchhalten bei den verbleibenden Etappen, gutes Ankommen und eine schöne Zeit am Zielort

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