Am Marne-Rhein-Kanal von Pargny-sur-Saulx nach Loisy-sur-Marne


Heute war zum einen ein ganz normaler Wandertag, zum anderen hatte er auch etwas Besonderes: Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte ich keinen Begleiter, der mich zum Startpunkt bringt, und am Ziel wieder abholt. Das ist insofern spannend, als ich in Frankreich noch nie ein Taxi gerufen habe. Christine von meiner Unterkunft Janenquelle in Sarry hat mir die Telefonnummer der Taxizentrale in Vitry-le-Francois aufgeschrieben, die sollte ich am Ende meiner Etappe anrufen. So weit, so gut!

Ich fuhr mit meinem Auto also von Sarry nach Pargny-sur-Saulx, wo am Mittwoch meine Tour von Bar-le-Duc aus endete. Ich stellte das Auto direkt am Rathaus ab, und machte mich auf den Weg zum Marne-Rhein-Kanal, da es hier einen Treidelweg gab, der mich über die Hälfte des Tages begleiten sollte.

In dieser Gegend war wohl am 06. September 1914 die erste Marneschlacht
Kurz vor dem Kanal tauchen plötzlich Artischockenstauden auf

Auf dem Weg dorthin sah ich zunächst eine Hinweistafel auf die erste Marneschlacht im 1. Weltkrieg im September 1914, dann zu meinem Erstaunen bereits die ersten Artischocken, die ich erst in der Bretagne erwartete!

Da bin ich morgens entlang gelaufen…
Der Marne-Rhein-Kanal im Morgenlicht, daneben der Treidelweg, der mich heute lange begleitete

Der Treidelweg führte an Étrepy vorbei, die Saulx lief rechts neben mir, der Kanal zur linken Seite. Außer zwei oder drei Fischern war niemand unterwegs, die meiste Zeit war ich alleine.

Brav lief die Saulx neben mir her….
… ich bekam ein Schloß zu Gesicht…
… und der Treidelweg war mein treuer Begleiter

Einen Graureiher scheuchte ich auf und einen Fischreiher, und auch zwei Reiher waren zum Grasen ganz nahe an die Saulx gekommen, bevor sie vor mir Reißaus nahmen. Eine Weide voll mit Misteln fiel mir in die Augen, da könnte man einen ganzen Weihnachtsmarkt damit bedienen!

Misteln bis zum Abwinken…
Wie die wohl hier herkamen??

Plötzlich lagen Muscheln auf dem Weg, die ja nur aus dem Kanal stammen können. Anscheinend gibt es ab und zu auch Hochwasser, oder Fischreiher knacken sie am Weg. Der Kanal geht um Bignicourt herum, und in Le Buisson gehe ich vom Kanal auf die Hauptstraße, um auf kürzestem Wege nach Brusson zu kommen. In Brusson eröffnet sich wieder ein Treidelweg bis nach Plichancourt, dann gehe ich auf einem Nebenweg parallel zur D995 nach Saint-Etienne! Ja, richtig, Saint-Étienne, aber nicht das „Allez-les-verts-Saint-Étienne“, sondern das in der Champagne. In einer Bar in Saint-Étienne gibt es zwei alkoholfreie Heineken-Biere (zu je 0,25 Liter, meine Güte, da kommt man mit dem Bestellen gar nicht nach!!). Kurz darauf bin ich schon auf der D995 in Vitry-en-Perthois angekommen, wo ich die ersten richtigen Weinberge der Champagne sehe!

Endlich sehe ich sie – die Weinberge der Champagne!!! Fast kreideweiß der Boden, ganz in der Nähe ist auch ein riesiges Kalkzementwerk!

Der Boden hier ist sehr kalkhaltig, weshalb die Felder fast weiß erscheinen, und Kalk ist ein sehr guter Nährboden für Burgundersorten (v.a. Spätburgunder, Pinot noir). Aber auch weiße Burgundersorten wie der Chardonnay wachsen hier sehr gut. Dieser Kalkrücken tritt bereits im Burgund an die Oberfläche, weshalb dort die gleichen Reben gut gedeihen. Dann sinkt er ab, um in der Champagne wieder an die Oberfläche zu kommen, verschwindet wieder und bildet schließlich die berühmten Kreidefelsen von Dover. Er zieht sich praktisch quer durch Europa.

Ein schönes Detail der Kapelle der heiligen Genoveva – leider konnte ich keinen Hinweis auf die Erbauungszeit finden

Ich folge dem Hinweis auf eine Kapelle der heiligen Genoveva (Sainte-Génovève), die etwas oberhalb von Vitry-en-Perthois liegt, mit einer schönen Baumallee davor. Von hier aus hat man einen tollen Blick auf die Weinberge, und das Weiß des Bodens blendet fast ein wenig. An einem Wegweiser lese ich, dass ich jetzt auf dem Jakobsweg bin und gleichzeitig auf der Via Francigena, die wir bei unserer Romwanderung ab dem Apennin häufiger benutzt haben.

Wie viele Pilger diesen Weg wohl schon benutzt haben???

Nun noch einen Feldweg von der Kapelle zur N44, diese unter Einsatz des Lebens überqueren, und dann führt mich der Weg über die Marne nach Couvrot, und über die D602 schließlich zu meinem heutigen Endziel, nach Loisy-sur-Marne.

Ich bin auf der richtigen Fährte…!!! (:-))

So, jetzt nur noch die Taxizentrale anrufen, das Sprüchlein aufsagen, und heimwärts geht`s. Die Dame am Telefon sagte aber, dass alle Autos besetzt sind, es ihr leid tue, aber sie kann mich nicht fahren. Okay, vielleicht nicht jetzt, aber in einer Stunde? Tja, dann  müssen die ganzen Krankentransporte abgewickelt werden, also, das geht heute nicht. Super!!! Haben Sie vielleicht eine andere Telefonnummer, die ich anrufen kann? Ja, Taxi Europa, die Nummer 06 70 19 18 18. Okay, also dort anrufen. Dort meldet sich ein Automat, dass man, falls man etwas möchte, einen Monsieur XY anrufen soll. Das kann`s nicht sein! Zum Glück war um die Ecke eine Bar (Bar du Midi), die am frühen Nachmittag geöffnet war – das kommt nicht oft vor. Ich erzählte der Besitzerin und den Gästen von meiner Not, hörte, dass es auf dem Land schwierig ist, ein Taxi zu bekommen. Das wusste ich bereits!! Einer der Gäste zeigte mir dann eine Nummer, die mir womöglich weiterhelfen könnte. Ich rief dort an, ein sehr freundlicher Mann erklärte mir, dass er mich holen könnte, aber noch die Adresse bräuchte. Das war schnell erledigt, und auf diesen Schock bestellte ich mir gleich mal ein Panagé (auf bayrisch: Radler), und als ich in den Kühlschrank blicken konnte, sah ich eine Flasche Champagner dort stehen. Ob es den auch gläschenweise gibt? Bien sûr, wir sind schließlich in der Champagne!! Also, einen Schluck Champagner! Dann ging die Türe auf, und der Retter in der Not erschien: Monsieur Salah!!! Ich zahlte meine Zeche, dem Gast mit der Taxinummer ein Bier, bedankte und verabschiedete mich.

Monsieur Salah, mein Lebensretter, mon sauveteur!!!

M. Salah chauffierte mich dann auch nach Pargny-sur-Saulx, wir unterhielten uns sehr gut, und am Ende konnte ich mit ihm vereinbaren, dass er mich morgen um 14 Uhr in Poivres von meiner nächsten Etappe abholt. Er fand mich sympatisch, ich ihn auch, und er machte mir einen tollen Freundschaftspreis: Das war sehr großzügig! Vous étiez très généreux, Monsieur Salah! Je vous en remercie beaucoup!!! Mes meilleurs voeux pour l`avenir!! Das sind die Dinge, die das Leben ausmachen!!


Eine Antwort zu “Am Marne-Rhein-Kanal von Pargny-sur-Saulx nach Loisy-sur-Marne”

  1. Guten Abend, Hans,

    Da hast du sehen kœnen Was franzœsicheTaxi sind…
    Aber du hast auch sehen kœnen Das die Leute auch freundlich sind.
    Du bist freundlich, dan sind die Leute auch freundlich.

    Viel Glück für Morgen.

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